Rückblick auf die Sommerakademie 2022

Rituale und transpersonale Ansätze in der Theatertherapie

Der Blick aufs Ganze als Teil des Ganzen – 
Begegnungen mit den Herausforderungen unserer Zeit

15. – 19. Juni 2022

Jugendbildungszentrum Blossin e. V.
Waldweg 10
15754 Heidesee / OT Blossin

 

Programmübersicht

Mittwoch, 15.06.2022

18:45 Uhr Abendessen

20:00 Uhr
Mitgliederversammlung der DGfT 
Auch Nicht-Mitglieder sind herzlich willkommen!

 

Donnerstag, 16.06.2022

10:00 – 11:00 Uhr
Einführung in das Thema der Tagung –  Ingrid Lutz: Essentials zu Ritual & Heilung

DIE WORKSHOPS (2-tägig, Do und Fr)

11:00 – 18:00 Uhr Workshops 1 – 9

20:00 Uhr „You Arrive“, Film von Bonnie Harnden (30 min) mit anschließender Diskussion

 

Freitag, 17.06.2022

09:30 – 18:00 Uhr Workshops 1 – 9

20:00 Uhr Miniperformances als Einblicke in die Arbeit der Workshops

21:00 Uhr Vorstellung der neuen AGs „Klima“ und „Diversität“ der DGfT

Samstag, 18.06.2022

10:00 Uhr Vortrag 1: 
William Sax – Theatrale Rituale als kollektive Therapie bei den Dalits von Uttarakhand, Western Himalaya

11:00 Uhr Vortrag 2:
Annette Hornbacher – Besessenheit als Medium von Diagnose und Therapie: Tanz und Transgression auf Bali

12:00 Uhr Vortrag 3: 
Liane Hofmann – Was sind spirituelle Krisen und wie können wir Menschen in einer solchen Krise begleiten? – Facetten eines vielschichtigen Phänomens

13:30 – 14:30 Uhr Mittagessen + Kaffee

14:30 – 15:30 Uhr Vortrag 4
Johannes B. Schmidt – Das Transzendente in der Psychotherapie

15:30 – 17:00 Uhr 
„Discussion Lab“ in 3 Gruppen: Was heißt das in den Vorträgen und Workshops deutlich gewordene Verständnis von Potential und Funktion von Ritualen und transpersonalen Ansätzen für uns in der Ausbildung und Praxis als Theatertherapeut*innen?

17:00 Uhr
„Zurück zum Ganzen“: Gesamtplenum und Ausklang

18:45 Uhr Abendessen

20:00 Uhr
„Traumspiele“ – Bühne frei für Performances und Themen aus den aktuellen Weiterbildungen

 

Beschreibung der Workshops und Vorträge

Workshop 1:
Systemische Naturtherapie: Zusammenspiel von Mensch und Natur
Bettina Grote

Dieser Workshop leitet zu Erfahrungen und Bildern des gelingenden Zusammenspiels von menschlicher und mehr-als-menschlicher Welt an. Es geht darum, Beziehungen wahrzunehmen, Fäden aufzunehmen, lebendige Verbindungen mitzugestalten und auch eine lebendige Sprache dafür zu finden. Die Vorgehensweise systemischer Naturtherapie ist dabei so bodenständig wie unmittelbar und physisch. Im Hinblick auf ein größeres Netzwerk des Lebens, seelische Räume oder kollektive kulturgeschichtliche Erinnerungen ist das professionelle Vorgehen insofern bescheiden, als es eine Hinwendung ermöglicht und Strukturen installiert, in die das einfließen kann, was aus jenen Räumen phänomenologisch aufscheint und über den Körper zum Ausdruck kommt. Der Workshop knüpft an die individuellen und gemeinsamen Themen oder Fragen der Teilnehmer*innen an, die dann den weiteren Verlauf prägen. Naturerfahrung, Gestaltungsformen mit Naturmaterialien sowie das Mythenspiel bieten unterschiedliche methodische Zugänge und Erfahrungsräume. Im Austausch sammeln wir, wie ein solches in größere Zusammenhänge eingebundenes Erleben heilsam oder schlicht hilfreich sein kann für gelingendes Leben und Zusammenleben.

Der Workshop findet im Wald statt, es empfiehlt sich entsprechende Kleidung, die den Kontakt mit Wald und Feuer nicht scheut, ggf. eine einfache Sitzmatte.

 

Workshop 2:
Into the Blue: Challenges and possibilities of dramatherapy in times of climate change
Bonnie Harnden

This workshop will present current research on awe and gratitude and demonstrate how, when harnessed, they have the capacity to heal our nervous systems, and promote health and wellness throughout our lives. They are positive emotions and emotions that provoke action. When harnessed through drama therapy, they help us mobilize into action and engagement. Through this we can move out of states of freeze and disengagement and work to address climate change and to develop sustainability inside and out. As we heal our nervous systems and our bodies, in turn, we can heal the environment.

This innovative, 2-day presentation combines lecture, video, performance, and experiential group learning. Theory and research on trauma and the nervous system are presented in order to give context to the application of the research on awe and gratitude. Our planet is suffering in many different ways and we will examine how trauma keeps in in cycles of consumption, inaction and despair and how awe and gratitude can mobilize us out of these states.

Day 1 will give an overview of the nervous system and the impact of trauma, illustrated through theatrical performance and imagery as well as the direct presentation of clinical research. The use of storytelling and physical movement will help each participant come to a personal understanding of the material while having an opportunity to process reactions and to discuss the research as a group.

Day 2 will present the research on gratitude, continuing to share the material through lecture and performance. As we navigate a changing world which fills us with grief and despair we will explore how touching deeply into gratitude and awe are the counterpoints and solutions. Together, we will assemble a toolkit of resources and activities that are available for participants to apply directly to personal and clinical practice.

 

Workshop 3:
Zo! Approaching the Present Moment through Developmental Transformations
David Read Johnson und Denise de Jong van Lier

DvT is an improvisational and relational approach to drama therapy in which layers of our protective shield (identity, persona, role system) are peeled away toward an encounter of two beings in a present moment. Learning how to be within an unstable self and world is essential to reaching this goal, for being at its heart is an animated, turbulent, creative transfer of energy across boundaries. In this workshop, the basic theory and principles of DvT will be followed with experiential exercises and demonstrations that will allow participants to glimpse how such a journey might begin.

 

Workshop 4:
Matrix des Trauerns – Rituelle Strukturen als therapeutisches Medium in Übergangsprozessen
Ilil Land-Boss

Der Workshop wird von der Annahme geleitet, dass im Leben und Alltag der meisten Menschen hier und heute zahlreiche Übergänge keine ausreichende Gestaltung und rituelle Einrahmung finden und dass dieses Fehlen von Zeit, Raum und rituellen Gefäßen zu emotionalen und psychischen Belastungen/Blockaden führen kann.
Nicht nur bei Tod und Verlust, sondern auch bei für jede Entwicklung notwendigen Transformationen und Übergängen von einer Lebenssituation in eine andere spielen Trauerprozesse eine zentrale Rolle, in denen das Alte verabschiedet und das Neue angenommen werden kann. Individuelle Empfindungen können so eine Einbettung in einen größeren Rahmen erfahren und die ästhetische Distanzierung kann einen Zugang und gleichzeitig eine Gestaltgebung und dadurch Handhabung ermöglichen.
In diesem Workshop werden rituelle Strukturen sowie eine Auswahl körperlicher Ausdrucksformen – Gesten, Körperhaltungen und einfache Bewegungen – vorgestellt, die in verschiedenen Kulturen im Kontext von Übergängen, vorwiegend von Todes- und Trauerritualen vorkommen. Damit soll ein experimenteller und partizipativer Ausdrucksraum eröffnet werden, in dem Aspekte des Lebens und der Persönlichkeit der Teilnehmenden, die aktuell eine besondere Beachtung benötigen, einen Ausdruck in einem rituellen Gefäß finden können. Eine zentrale gemeinsame Forschungsfrage wird sein, wie diese rituellen Tod- und Trauergesten so adaptiert werden können, dass sie Übergänge auf verschiedenen Ebenen markieren, gestalten und begleiten.

 

Workshop 5:
Trancephänomene bei Ritual & Heilung: „Trockene Hirne fallen nicht in Trance“
Ingrid Lutz

Dieser Workshop basiert auf Ergebnissen einer jahrzehntelangen Forschung, bei der Natur und Struktur des Zusammenhangs von Ritual und Heilung erforscht und für unsere „moderne“ Theatertherapie nutzbar gemacht werden sollte: Der hier vorgestellte Ansatz begreift die Entwicklung von Ritualen als eine physiologisch im Körperwissen verankerte und seit Jahrtausenden genutzte menschliche Fähigkeit, kollektive Strukturen für Übergänge bereitzustellen, die 2 Funktionen gleichzeitig erfüllen:

  1. Sie geben Struktur dafür, etwas hinter sich zu lassen, eine „Form“ zu vollenden, und die Leerstelle auszuhalten, in der das Alte nicht mehr und das Neue noch nicht vorhanden ist –, sie ermöglichen, sich dem Unbekannten/Angstmachenden zu stellen und dabei nicht in der Angstreaktion zu erstarren, sondern handlungs- und lebensfähig zu bleiben. Sie schaffen so eine wesentliche Voraussetzung für (Weiter-)Entwicklung!
  2. Gleichzeitig haben sie die Aufgabe, bei Krisen, Brüchen und Katastrophen für die Aufrechterhaltung der persönlichen und kollektiven Identität zu sorgen, indem sie Verbindung herstellen sowohl auf der horizontalen Ebene zum Kollektiv als auch auf der vertikalen/transpersonalen Ebene zu einem größeren Ganzen.

Wesentlich für die Wirkung von Ritualen sind offensichtlich Trancephänomene, die evolutionär im menschlichen Körper/Gehirn angelegten Fähigkeit, in einem erweiterten Bewusstseins- und Wahrnehmungszustand Zugang zu menschlichen Potentialen und inneren Selbstheilungsprozessen zu finden, die aus gutem Grund für das ‚normale‘ Bewusstsein nicht zugänglich sind. Das ‚normale‘ Bewusstsein ist durch familiäre und gesellschaftliche Prägung und Tabus beschränkt, existentielle Krisen zeichnen sich aber genau dadurch aus, dass die bisher gelernten Bewältigungsmechanismen versagen.

In diesem Workshop arbeiten wir mit sehr einfachen tranceinduzierenden Arbeitsformen, greifen auf Fähigkeiten zurück, die wir als Kinder alle zur Verfügung hatten, es braucht kein Hexenwerk oder Mystifizierungen, um in das in unseren Zellen gespeicherten Wissen um Lebens- und Entwicklungsprozesse einzutauchen und einen lebendigen Bezug zu existentiellen Themen im Spannungsfeld zwischen Geburt und Tod jenseits des alltäglichen neurotischen Geschehens in uns und um uns zu finden.

 

Workshop 6:
Wanderer, es gibt keinen Weg
Transpersonale Ansätze im Üben mit Atem und Bewegung
Klaus Möller

„Alles geht und alles bleibt,
aber an uns ist es, dahinzugehen,
vorüberzugehen und Wege zu machen,
Wege über das Meer (…)
Wanderer, es gibt keinen Weg,
sondern Spuren im Meer.“ 

Antonio Machado (1879-1939)

In der Atem- und Körperarbeit  finden sich Übungsabläufe, die geeignet sind, über alltägliche Muster und Begrenzungen hinauszuführen – sowohl in der Körperwahrnehmung als auch im Ich-Bewusstsein.
Dieser Workshop möchte Gelegenheiten eröffnen, sich solchen Erfahrungsräumen und Zuständen anzunähern, in denen unsere Gewohnheit des kontrollierten Gestaltens und Sich-Zeigens abgelöst werden kann, sich hineinziehen lassen kann in ein Mitgenommenwerden und Geschehenlassen.

Der nicht-alltägliche Gebrauch des Körpers in Bewegung macht die Grenzen von Gleichgewicht, Beherrschung, Sicherheit einerseits, von Überschreiten, Nachgeben, Riskieren andererseits erfahrbar.

Zum andern ermöglicht das Einlassen auf den inneren Atem und das allmähliche Sich-führen-lassen von der vegetativen Atembewegung, dass sich Zugänge öffnen jenseits der persönlich eingefärbten und charakterabhängigen Wahrnehmung. Das Üben kann hier in scheinbar äußerlich-unbewegter Stille stattfinden, ebenso in der kontemplativen Bewegung. Wie weit erlaubt mein Bewusstsein Hingabe an den Fluss des Atems in die Atemruhe, in gedankenleere Räume, ins Ungewisse? Wie ist es, vom Weg abzukommen, sich nicht mehr auszukennen – und es weitergehen zu lassen?

 

Workshop 7:
Ritual Actions & the Body Energy Centres
Ryszard Nieoczym

‘Ritual Actions’ has been a research project for over 30 years asking one fundamental question: is it possible to create Rituals which can heal the body, mind, spirit and soul. And by soul I mean what James Hillman articulates: soul is not a substance as in traditional theology of many religions, but a function of imagination.

Today we live in a world dominated by frenetic Urban Rhythms and as a result we have lost connections with our own body’s organic rhythms, our own sources of energy.

This workshop will introduce the group into a process of Play to awaken the body centres: the whole Body in Movement, the Head Centre: imagination visualization fantasy, the Vocal, emotional and Sex Centre.

The intermingling of energies from the centres forms a River of Energy with many layers. It is essential to recognize that all feelings are just different forms of energy: anger rage joy sorrow love hate etc.

In our play process we’ll explore, if the individual body centres can act as transformers of the energies which emanate from nature (trees, rivers, wind, rocks, fire) and further, if our human bodies can connect in some way to the Universal Energy that keeps the whole universe spinning and vibrating and transform it into a healing process for oneself with and for others. 

 

Workshop 8:
(Work-)Be-Shop: Unberührbares berühren
Johannes B. Schmidt

In diesem Be-shop demonstriert und erläutert der Referent seine Praxis intimer therapeutischer Begegnung – auch handwerklich. Zentral ist dabei die Wandlung in eine Haltung: ‚Die Begegnung mit dir führt mich zu mir‘. Wie finden wir den Mut Unberührbares in uns berühren zu lassen? Wie bleiben wir berührbar und bewahren unsere Sensibilität und Lebendigkeit?

Live-Arbeit/Demos mit Teilnehmern vor der Gruppe, Erläuterungen des “Handwerks” und, je nach Anliegen der Gruppe, kleine Explorationen des Selbsterlebens der Teilnehmer, machen diesen Be-Shop aus.

Vorsicht: Tiefste Begegnung ist nicht leicht, berührende Begegnung kann in verschiedene Richtungen aktivierend sein und dissoziierte Traumata ebenso aufdecken wie verschüttete Lebensquellen. Wie sagte einst ein Buddhist: Ohne Shitsang kein Satsang.

 

Workshop 9:
Wenn ‚RASA‘ den Körper durchdringt: Das Spüren und Formen von emotionalen Bewegungsprozessen.
Dr. Rajyashree Ramesh

Wo im Körper entstehen Emotionen? Wie können wir diese im Körper identifizieren und hervorrufen? In diesem Workshop erkunden wir bewegend und darstellend, welche Art innerer Bewegungen emotionalen Prozessen zugrunde liegen und als tiefe Erfahrung wahrnehmbar werden. Als Zugang dient hier die Theorie und Praxis der darstellenden Kunst Indiens Nāṭya, v.a. als Tanztheater.  Ziel jeder Darbietung ist die Erzeugung von Rasa, einem ästhetischen Genuss, der nach dem altindischen Text Nāṭyaśāstra “den Körper durchdringt wie Feuer Holz durchdringt”. Hier ist die Beschreibung einer im Körper wahrnehmbaren und geistig erfahrbaren tiefen Erfahrung, die sowohl bei den Darstellern wie Zuschauern kollektiv erzeugt wird, wenn Emotionen in ihren physischen Manifestationen zum Ausdruck gebracht werden. Mit diesem Verständnis eines der zentralen Aspekte der darstellenden Kunst Indiens befassen wir uns in dem Workshop. Im Mittelpunkt steht die praktische Erkundung des Zusammenspiels verschiedener emotionaler Zustände und deren Verkörperungen. Insbesondere welche Rolle “Sensing and Shaping” (Spüren und Formen) als inhärente Eigenschaften emergenter Bewegungen bei den vielen gestischen Darstellungsmöglichkeiten von subtiler Mimik bis hin zu typischen Verhaltensweisen spielen. Anhand solcher Erkundungen reflektieren wir schließlich darüber, wie spürbare Emotionsdarstellung Schlüssel zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden werden kann. Dabei spannt die Referentin den Bogen über Damasio’s Gehirnforschung zu Emotionen und Gefühlen zu den bewegungsanalytischen Ansätzen aus der Laban/Bartenieff-Bewegungsanalyse und verwandten Gebieten, bis hin zu Erkenntnissen aus der Faszienforschung.

 

Beschreibung der Vorträge

Donnerstag

Einführungsvortrag
Ingrid Lutz – Essentials zu Ritual & Heilung

Ingrid berichtet zum Auftakt dieser Sommerakademie von ihrer jahrzehntelangen Forschung zu den Zusammenhängen von Ritual und Heilung und wie Rituale zur persönlichen und vor allem kollektiven Bewältigung von Traumata beitragen. Überraschenderweise ist sie bei diesen Forschungen, die sie u. a. nach Südostasien und Südamerika führten, immer wieder auf die grundlegende Frage gestoßen, was Menschsein letztendlich ausmacht und wie therapeutisches Handeln Menschen dabei unterstützen kann, zu ihrer Essenz zu finden.

Transformation und Relevanz von „Altem Wissen“ – Evening Talk mit Venu G., im Gespräch mit William Sax und Annette Hornbacher  (vorwiegend auf Englisch)
Was können Europäisches Theater (und Theatertherapeuten) vom Klassischem Indischem Tanztheater und seiner Emotions-Verkörperung lernen? Zugang zu einer sonst unsichtbaren Realität? Ist die Wirkung unabhängig vom kulturellen Kontext? Warum bezeichnet Venu G. sein Training zu den 9 Emotionen (Nava Rasa) als „Sadhana“, also als Ritual? Was hat sich als der Kern gezeigt, der diese indischen Tanztheaterformen für heute so relevant bleiben lässt? Welche Ein-Sichten geben die Forschungen von W. Sax und Annette Hornbacher zu diesen Fragen?

 

Samstag

Vortrag 1:
William Sax – Theatrical Rituals as Collective Therapy among the Dalits, Uttarakhand, Western Himalaya

The borders between ritual, therapy, and drama are very fluid: ritual has therapeutic effects, therapy makes use of dramatic forms, and drama takes ritual forms.  In this paper I discuss the dramatic/theatrical aspects of ghost exorcisms as collective rituals among the Dalits (the former ‚untouchables‘) of Uttarakhand in the Western Himalaya and advance my theory, why ritual is often therapeutic.

Vortrag 2:
Annette Hornbacher – Besessenheit als Medium von Diagnose und Therapie: Tanz und Transgression auf Bali

Tänzer und Darsteller sind auf Bali (und Java) nicht Medien zur Vermittlung bestimmter menschlicher Emotionen, sondern Medien der Manifestation einer – sonst unsichtbaren – Realität der Ahnen und Geister.
Aus diesem Grund gehen Tanz und Trancebesessenheit hier oft ineinander über und diese performativen Dissoziationen werden nicht als pathologische Verhaltensweisen – oder als Abbau von persönlichem Stress- gesehen, sondern als ‚Fenster‘ durch das die Gemeinschaft in Austausch mit dem Göttlichen treten kann. Ein therapeutischer Effekt zielt nicht auf Individuen, sondern auf die ganze Gruppe. 

Vortrag 3:
Liane Hofman – Was sind spirituelle Krisen und wie können wir Menschen in einer  solchen Krise begleiten?  – Facetten eines vielschichtigen Phänomens

Der Vortrag geht zunächst auf die Entwicklungsgeschichte der Spirituelle-Krisen-Thematik ein und reflektiert deren aktuelle gesellschaftliche und gesundheitswissenschaftliche Relevanz. Im weiteren  gehen wir der Frage nach, wodurch sich eine spirituelle Krise auszeichnet, indem wir uns grundlegende Definitionen, Charakteristika und Erscheinungsformen von spirituellen Krisen näher anschauen. Zum Abschluss wollen wir den Raum und die Diskussion für die Frage öffnen, welche Formen der Begleitung für Menschen in solchen transformativen Prozessen unterstützend sind und ob sich hierbei auch theatertherapeutische Ansätze als hilfreich erweisen könnten.

Vortrag 4:
Johannes B. Schmidt – Wir spielen hier (kein) Theater – Das Transzendente in der Psychotherapie

Jeder Mensch, der die Verbindung zum Spirituellen verloren hat, ist mit sich selbst überfordert und (be-)kümmert. Der Kontakt mit der Welt stellt sich nicht ein, und die Flucht ins Denken beginnt, wo Unmittelbarkeit des Lebens bedrohlich wirkt.
Damit unsere Seele und Psyche es wagt, Wirklichkeit zu erfahren, brauchen wir die erfahrbare Verbindung zur Transzendenz. Gehalten sein, von wo anders her, um ganz hier sein zu können und sich vom Leben leben zu lassen.
Heilt “Therapie”? Oder ist es heilsam einen Menschen dorthin zu begleiten, sich von etwas Unbenennbarem berühren zu lassen, das als transzendent erlebt werden kann? Dann wird für Therapeut und Klient gleichermaßen Heilung erfahrbar, denn Heilung ist nicht teilbar. Tiefenstille und Ehrfurcht stellen sich ein. Beide bleiben berührt und belebt von “Etwas” zurück.

 

Beschreibung des Films

Donnerstag Abend

„YOU ARRIVE“ – a film by Bonnie Harnden

‚You arrive‘ – ein 45-minütiger Film nach einem Theaterstück von Bonnie Harnden, das die Arbeit einer Theatertherapeutin mit einer traumatisierten Patientin zeigt und wie dadurch das Trauma der Therapeutin aktiviert wird.

 

Dozentinnen und Dozenten

Bettina Grote
Dr. phil., Systemische Naturtherapeutin und Beraterin, Weiterbildungsanbieterin und Lehrtrainerin, Berlin, selbstständig seit 2004, ausgebildet bei Astrid Habiba Kreszmeier, Hans-Peter Hufenus, Christine Essen.
Koordinatorin einer rituellen Gemeinschaft in Berlin innerhalb des Vereins und Terreiros terra sagrada, Mitwirkende der Natur-Dialog-Bewegung, Herausgeber-Beirätin für e&l – erleben und lernen, Internationale Zeitschrift für handlungsorientiertes Lernen; Publikation diverser Fachartikel.
www.systemische-prozessgestaltung.de

Bonnie Harnden
ist künstlerische Therapeutin, Psychoanalytikerin, Paar- und Familientherapeutin und Associate Professor im Fachbereich Künstlerische Therapien der Concordia University. Sie wurde 2019 mit dem Concordia President’s Excellence in Teaching Award ausgezeichnet. In ihrer Forschung setzt sie künstlerische Performance ein, um die Auswirkungen von Traumata und die Heilungsmöglichkeiten durch ‚awe and gratitude’ (Ehrfurcht und Dankbarkeit) zu untersuchen. 2017 erhielt sie den Forschungspreis der North American Drama Therapy Association (NADTA) für ihr Theaterstück und den Film You Arrive, die den therapeutischen Prozess und dessen Bedeutung für die Bewältigung der Auswirkungen von Traumata untersucht. Im Jahr 2018 wurde sie mit dem NADTA Teaching Excellence Award ausgezeichnet.

Liane Hofmann
Dr., ist Diplom-Psychologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP), Freiburg i. Brsg im Forschungsbereich Empirische Kultur- und Sozialforschung. Ihre Arbeitsschwerpunkte betreffen die Möglichkeiten der Einbeziehung der spirituellen und religiösen Dimension in die klinisch-psychotherapeutische Praxis sowie klinisch-therapeutische Fragestellungen im Zusammenhang mit spirituellen Krisen. Aus- und Weiterbildungen in verschiedenen psychotherapeutischen, körperorientierten und achtsamkeitsbasierten Verfahren. Sie ist Mitherausgeberin des Buches „Spiritualität und spirituelle Krisen. Handbuch zu Theorie, Forschung und Praxis“.
Weitere Informationen unter: http://www.igpp.de/eks/liane_hofmann.htm 

Annette Hornbacher
ist Professorin für Ethnologie an der Universität Heidelberg und spezialisiert auf Indonesien, Performanz- und Ritualforschung, Trance-Besessenheit, Embodiment und nicht-westliche Wissenssysteme. Sie  hat nach einem Studium der Literaturwissenschaft, Philosophie und Ethnologie an der Universität Tübingen mit einer Arbeit zu Friedrich Hölderlins Begriff der poetischen Sprache als „höhere Aufklärung“ im Fach Philosophie promoviert, wurde mit einer Studie zum balinesischen Ritualtanz als verkörpertem kosmologischen Wissen and der Universität München im Fach Ethnologie habilitiert und hat parallel dazu jahrelang an diversen Theatern und einem Opernfestival (Rossin in Wildbad) als Dramaturgin und Regisseurin praktische Theatererfahrung gesammelt.
Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind: „Subjekttheorien und Trance-Besessenheit“, „Esoterische Schriftlichkeit und Verkörperung in Bali“  sowie „Mensch-Umweltbeziehungen im Anthropozän“.

David Read Johnson
PhD, RDT-BCT ist Leiter des Institute for Developmental Transformations; Co-Leiter des Post Traumatic Stress Center, New Haven Connecticut USA; und Associate Clinical Professor, Department of Psychiatry, Yale University School of Medicine.

Denise de Jong van Lier
Denise absolvierte eine Ausbildung in Theaterpädagogik in Berlin. Danach studierte sie Kreativtherapie / Theatertherapie an der Hogeschool Utrecht. Sie ist außerdem Absolventin der Methode Developmental Transformations (Institute for Developmental Transformations, New Haven, USA).
Neben ihrer Arbeit als Theatertherapeutin unterrichtet Denise Theater in der Hochschulbildung (Akademie für Mensch und Gesellschaft, Saxion Enschede) und leitet Theatergruppen für Jugendliche und Erwachsene.

Ilil Land-Boss
M. A. in Theater- und Filmwissenschaft, Kulturanthropologie und Linguistik, Theatertherapeutin DGfT reg., Heilpraktikerin für Psychotherapie, Schauspielerin, Regisseurin, Performerin, Dozentin für Theater, Theaterpädagogik und Theatertherapie.
2017 – 2018 Künstlerische Gastprofessur im Studiengang Theatertherapie, HfWU Nürtingen-Geislingen, weitere Lehrtätigkeiten an Akademien, Hochschulen und Universitäten.
Mehrere Jahre theoretischer und praktischer Ritualforschung.
Seit Herbst 2020 promoviert Ilil an der Zürcher Hochschule der Künste und der Kunstuniversität Graz in Theater/Performance zum Thema ‚Liminale und rituelle Räume in partizipativer Performance – Die Nutzung verkörperter ritueller Strukturen und Prinzipien und therapeutischer Elemente zur Schaffung transitionaler und liminaler Erfahrung’.

Ingrid Lutz
Leiterin der Theatertherapie-Weiterbildungen in Berlin, langjährige Lehrtätigkeit an Hochschulen und Kongressen im In- und Ausland, 2 Jahrzehnte Forschungsprojekte zu Ritualen und Heilmethoden anderer Kulturen, u.a. in Südamerika, Indien, Laos. 3-jährige Ausbildung in Transpersonaler Therapie und Holotropem Atmen, eigene Praxis für Supervision und Theatertherapie in Berlin-Kreuzberg, bis WS 2017 Professorin für Theatertherapie.

Klaus Möller 
Atempädagoge BVA®; Freier Schauspieler und Regisseur; Ev. Theologe;
Gastdozent für Supervision beimTheaterPädagogikZentrum Baden-Württ. e.V. in Reutlingen; Gastdozent für Körperarbeit beim Institut für Theatertherapie in Berlin; Atemtherapeutische Tätigkeit in der Hahnemann-Tagesklinik in Tübingen und in eigener Praxis.

Ryszard Nieoczym
ist Gründer und künstlerischer Co-Leiter von LeTHAL / Le Theatre de L’Homme Actor’s Laboratorium, einem Theaterforschungs- und Performancezentrum in Toronto, Kanada. Er hat bei über 50 professionellen Theaterproduktionen in Europa, Kanada und den USA Regie geführt. Er ist ein ehemaliger Schüler und Mitarbeiter Grotowskis in dessen theatraler und paratheatraler Arbeit. Seine künstlerische Vision ist die Schaffung eines bildstarken, in mythischen Quellen verwurzelten Theaters, und der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Forschung und der Vertiefung des Schauspielhandwerks, die er Soundings nennt. Auf der Grundlage von Theaterforschungsprojekten baut er ein Netzwerk von künstlerischen Mitarbeiter:innen zwischen Europa und Kanada auf. Die aktuellen Soundings finden u. a. in Griechenland, Deutschland, Serbien, Niederlande, Kanada statt. In Kollaboration mit MadDam, einer freischaffenden Athener Theatergruppe, und anderen freischaffenden Gruppen in Kanada und Europa entwickelte er ein großes internationales Projekt mit dem Titel Ancient Mirrors/Modern Voices, eine Reihe von One-Woman-Shows, die auf den archetypischen Figuren Medusa, Kassandra, Psyche und Eros, Pandora und Pasiphae basieren und in Athen und Thessaloniki aufgeführt wurden. Die berufliche Erfahrung von Ryszard Nieoczym, seine große Intuition und seine Fähigkeit, die Tiefen der menschlichen Seele zu entdecken, die hinter jeder menschlichen Maske pulsiert, ermöglichen jeder/m Teilnehmer:in, einen bedeutenden Schritt auf ihrem/seinem individuellen künstlerischen Weg zu machen.

Dr. Rajyashree Ramesh
ist eine in klassischem indischen Tanz und Gesang ausgebildete Tänzerin, Choreographin, zertifizierte Laban/Bartenieff Bewegungsanalytikerin, ganzheitliche Faszientrainerin nach Laban und Kulturwissenschaftlerin. In Pune/Indien geboren, in Mumbai und Bangalore/Indien aufgewachsen und seit 1977 in Berlin lebend, blickt sie auf eine Berufserfahrung über 5 Jahrzehnten zurück. Die meiste davon als kulturübergreifende Vermittlung der indischen Traditionen durch Soloauftritte, multinationale/multidisziplinäre Bühnenproduktionen, Workshops und Lecture-Performances bei internationalen Konferenzen. Nach Gründung einer eigenen Academy for Performing Arts bildete sie in den letzten drei Jahrzehnten zahlreiche TänzerInnen auch europäischer Abstammung in klassischem indischem Bühnentanz aus. Die Fragen und Herausforderungen solcher kulturübergreifenden Tätigkeiten entfachten schließlich ihr tiefes Interesse an Bewegung und deren grundlegenden Relevanz.  Nach Zertifizierung zur Laban/Bartenieff Bewegungsanalytikerin setzte sie ihre Forschung akademisch fort, und promovierte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder zum Thema “Sensing and Shaping – The emotive-kinetic grounding of meaning. A cross-disciplinary analysis of Indian dance theatre”. Zur Zeit ist sie Dozentin und Koordinatorin für Tanz an der Global Music Academy Berlin, wo sie neben Kurse auch eine berufsbegleitende Fortbildung (Diploma) in transkulturellen Tanz- und Bewegungsstudien unter dem Titel “Bharatha-to-Bartenieff ” anbietet.

William Sax
wurde in einer Kleinstadt im Osten des amerikanischen Bundesstaates Washington geboren, studierte in Seattle, Wisconsin und Indien, und promovierte 1987 in Anthropologie an der University of Chicago. Er lehrte an der Harvard University, der University of Canterbury in Neuseeland (wo er elf Jahre lebte) und Deutschland, wo er seit 2000 Professor für Ethnologie Südasiens am Südasien-Institut der Universität Heidelberg ist. Insgesamt hat er etwa fünfzehn Jahre in Indien verbracht, und drei Monographien, sieben Sammelbände und Dutzende Aufsätze über Theater, Heilung, Rituale, geistige Gesundheit, Psychiatrie in Südasien, und Besessenheit geschrieben bzw. herausgegeben.

Johannes Benedikt Schmidt
Dr. Dipl. Psych., Weiterbildungen in Verhaltenstherapie, Hypnotherapie, systemischer Familientherapie, Systemischer Supervision, körperorientierten Traumaheilungsansätzen (Somatic Experiencing), Struktureller Dissoziation, Brainspotting, Psychotraumatologie (DeGPT), traumafokussierte Psychotherapie (IKP), systemischer Aufstellungsarbeit und Kraniosakraler Biodynamik. Promotion über das Transzendente in der Psychotherapie. Seit 1995 Tätigkeit in eigener Praxis, seit 2004 Gründer und Leiter der Aptitude-Academy. Internationale Seminar- und Lehrtätigkeit. Als Psychotherapeut und Berater sagt man ihm nach, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Er verfügt über einen wohlwollenden Humor, seine Klarheit und Ehrlichkeit wird für manchen zur Herausforderung und ist für andere befreiend. Autor der Bücher „Der Körper kennt den Weg“ (2008) und „Das Transzendente in der Psychotherapie – Über Spiritualität und Präsenz im therapeutischen Wirken (2019).